PUSCH-Klasse

Gepostet von am 14.Okt.2024

PUSCH-Klasse

Sogenannte „PuSch“-Klassen sollen die Jugendlichen in Hauptschulen praxisorientierter fördern. Im Hinterland bieten mehrere Schulen diese Klassen an. Wo liegt der Vorteil?

Marburg-Biedenkopf. Wer Hauptschüler unterstützen möchte, hat offenbar eine große Vorliebe für Abkürzungen. „SchuB“ hieß es beispielsweise vor 20 Jahren. Hinter der wohlklingenden Abkürzung für „Schule und Betrieb“ verbarg sich ein Programm, das Hauptschüler in Kontakt mit der Arbeitswelt bringen wollte. Ein ähnliches, wenngleich etwas anders gestricktes Projekt ist aktuell am Start in den hessischen Schulen. „PuSch“ lautet dieses Mal der Name, in diesem Fall die Abkürzung für „Praxis und Schule“. Drei Schulen im Hinterland setzen das Projekt derzeit an ihren Schulen um.

„Wir haben manche Kollegen an der Schule, die die SchuB kannten“, erzählt Jochen Lang im Gespräch mit dieser Redaktion. „Die haben mir sofort gesagt: Das müssen wir machen.“ Die Hinterlandschule mit ihren Standorten in Biedenkopf, Breidenbach und Steffenberg war denn auch bei der Neuauflage sofort mit dabei. Und in der Tat ist vieles vergleichbar mit dem früheren Priogramm: Wieder gibt es für die Hauptschüler Praxistage in den Schulen, wieder gibt es einen Coach, der den Jugendlichen beratend zur Seite steht.

Zielgruppe von PuSch sind in erster Linie jene Hauptschüler, die ihre Stärken vor allem im Praktischen haben. Sie sollen in den speziellen PuSch-Klassen die Möglichkeit haben, ihre Stärken auch auszuspielen. Sprich: weniger in der Schulbank sitzen, mehr in heimischen Betrieben Hand anlegen und die Arbeitswelt kennenlernen. Im besten Fall springt ein klarer Berufswunsch dabei heraus, vielleicht sogar ein Ausbildungsplatz, den sie nach ihrem Abschluss in der Hauptschule belegen können.

Um das Projekt überhaupt erst einmal bei den Eltern und Schülern der siebten Klassen bekannt zu machen, luden die Schulen die Eltern ein. Denn um eine PuSch-Klasse einrichten zu können, braucht es mindestens zehn Jugendliche, die diesen Weg in der achten Klasse beschreiten wollen. „Ich war erstaunt, wie viele Eltern und Schüler der Einladung gefolgt sind“, berichtet Sabine Stoll, Schulleiterin der MPS Hartenrod. Am Ende fanden sich an ihrer Schule 13 Jugendliche für die PuSch-Klasse.

Resonanz auf das Angebot in Marburg-Biedenkopf ist groß

Nicht minder erfolgreich waren die anderen Schulen. 15 Schüler sind an der MPS Dautphe in einer PuSch-Klasse. Die Hinterlandschule hat schon im vergangenen Jahr mit dem Projekt begonnen. In Biedenkopf und Steffenberg gibt es jeweils eine entsprechende Klasse, in Breidenbach sogar. Denn maximal dürfen es 16 Schüler pro Klasse sein, in Breidenbach suchten aber gleich 21 Schüler den direkten Weg in die Praxis.

Im Einzelnen können die Schulen unterschiedliche Wege beschreiten, wie sie das Projekt umsetzen. So können die PuSch-Klassen einjährig oder zweijährig laufen – die Hinterlandschule etwa hat sich für den zweijährigen Weg entschieden. Wie die Praxistage laufen, wird ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Die Schulen in Dautphetal und Bad Endbach fangen sofort mit der Mitarbeit in den Betrieben an, die Hinterlandschule setzt in den ersten Monaten auf Einblicke in die Beruflichen Schulen Biedenkopf.

Was übrigens nicht geht, ist, dass Schulen sich gänzlich auf den PuSch-Zweig fokussieren. Will sagen: ausschließlich für ihre Schüler derartige Klassen anbieten. Die Landesregierung schreibt vor, dass es im Jahrgang auch eine reguläre Hauptschulklasse geben muss. Die Hinterlandschule mit ihren drei Standorten habe es an dieser Stelle natürlich leichter als kleinere Schulen, gibt Jochen Lang zu.

Betriebe müssen Plätze bereithalten

Die Schulen sind natürlich nur die eine Seite, die Unternehmen bei dem Programm die andere. „Wir wollten das Angebot auf jeden Fall auch machen“, erzählt Anne-Carina Beck, Schulleiterin der MPS Dautphetal. Also habe man erst einmal die Betriebe eingeladen und über PuSch informiert. „Danach wussten wir dann, wer bereit ist, Jugendliche zu nehmen.“

Sabine Stoll hat gute Erfahrungen damit gemacht, auf Elternabenden für die PuSch-Klassen zu werben, an denen neben den Eltern und Lehrern auch die PuSch-Coaches und Vertreter der Betriebe teilnehmen. So habe man gut erklären können, worum es bei PuSch überhaupt geht und an wen sich das Angebot richtet: nämlich vor allem an Schüler, die einen hohen Bedarf an individueller Förderung haben und die es schwer hätten, ohne gezielte Unterstützung einen Ausbildungsplatz zu finden.

Förderung läuft über unterschiedliche Wege

Wohlweislich lautet der Name des Programms nicht „Praxis statt Schule“, sondern „Praxis und Schule“. Die beiden Praxistage pro Woche führen ausdrücklich nicht dazu, dass das Lernen zu kurz kommt. So ballen sich an den drei Schultagen insgesamt 23 Schulstunden. Nicht gekürzt gegenüber dem regulären Unterricht wird bei den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Die Nebenfächer dagegen werden in Lernbereichen zusammengefasst und praxisorientierter unterrichtet. „Die Schüler haben nur noch lange Tage“, betont Jochen Lang, „das muss man auch wollen.“ Genau deshalb bestehe auch die Pflicht, reguläre Klassen anzubieten – um das „Prinzip der Freiwilligkeit“ zu wahren.

Wesentlicher Bestandteil von PuSch sind überdies die Coaches: „Sie sind mit sehr, sehr vielen Stunden da“, unterstreicht Sabine Stoll. Dadurch können sie bei der Organisation helfen. Nicht zuletzt spielen auch die Klassenlehrer keine unwesentliche Rolle „Es ist immer gut, wenn Menschen in den Klassen arbeiten, die Beziehungsarbeit leisten können und wollen“, sagt Lang, und Anne-Carina Beck ergänzt: „Es ist gut, wenn es Kollegen gibt, die sagen: Das ist mein.“

Erfahrungen sind bislang positiv

Die drei Schulleiter berichten von bislang durchweg positiven Erfahrungen. „Viele Eltern bekommen erstmals eine Perspektive, wie es für ihre Kinder weitergehen kann“, sagt Sabine Stoll. Anne-Carina Beck hat beobachtet, dass die Wertschätzung, die die Schüler in der Arbeitswelt für ihre Leistungen erfahren, sich positiv auswirkt. Nicht selten sei zu beobachten, dass sie pünktlicher und gewissenhafter werden.

Ein Mehr an Wertschätzung für die Schüler, die sich mit dem theoretischen Lernen oftmals schwertun, ist auch der Punkt, den Jochen Lang hervorhebt. Von Schülern höre er immer wieder, dass sie in den Betrieben anders gesehen würden als in der Schule. Einer habe sogar zu ihm gesagt: „Man wird zum Mann.“

 

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